Familie verzweifelt

Schwer beeinträchtigter Bub soll in Massenquartier

Tirol
15.06.2025 06:00

Die Tiroler Soziale Dienste drohen einer fünfköpfigen ukrainischen Flüchtlingsfamilie in Schwaz (Unterinntal) samt schwerst behindertem Sohn (16) mit „Delogierung“. Als Alternative bieten sie eine Massenunterkunft. Die Ukrainer sind verzweifelt – aber kämpferisch. 

Julia Fesenko (41), ihr Mann Anton (39) sowie die Kinder Vladislav (16), Veronika (14) und Estella (10) sind im März 2022 vor den Kriegswirren in ihrer Heimat geflüchtet. Seit drei Jahren lebt die Familie in einer einigermaßen barrierefreien Wohnung in Schwaz, die die Tiroler Soziale Dienste (TSD) angemietet haben.

Barrierefreiheit hat deshalb eine so wichtige Bedeutung, weil der 16-jährige Vladislav unter einer schweren Behinderung leidet. Er sitzt im Rollstuhl und benötigt eine 24-Stunden-Betreuung.

Hiobsbotschaft aus heiterem Himmel
Doch jetzt zittern die Ukrainer vor Montag: Denn da muss die Familie die Wohnung verlassen. Die Hiobsbotschaft der TSD kam aus heiterem Himmel. „Die Fesenkos wurden nie vorinformiert, dass sie raus müssen“, sagt der Tiroler Roman Scamoni, ein Freund der Familie, der sie unterstützt.

Roman Scamoni zu Besuch bei den Fesenkos in Schwaz. Vater Anton fehlt auf dem Bild, weil er am ...
Roman Scamoni zu Besuch bei den Fesenkos in Schwaz. Vater Anton fehlt auf dem Bild, weil er am Arbeitsplatz war.(Bild: Birbaumer Christof)

Eigentlich hätten die Ukrainer die Wohnung in der Innsbrucker Straße schon am 2. Juni räumen sollen. Unglaublich: Das entsprechende Schreiben der TSD trudelte erst am 26. Mai bei der leidgeprüften Familie ein. Binnen sieben Tagen hätten die Ukrainer selbst eine Wohnung finden müssen – noch dazu eine behindertengerechte. 

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Wir müssten im Stift Fiecht als Familie mit Vladislav in einem einzigen Raum leben. Wir können die Wohnung nicht verlassen, bis wir eine adäquate Alternative haben.

Julia Fesenko, Mutter von Vladislav

„Zahlen 1500 Euro für behindertengerechte Wohnung“
„Das haben wir auch versucht“, schildert Julia im Gespräch mit der „Krone“. „Mein Mann arbeitet bei der Gemeinde Pill, wir sind bereit, eine Miete bis zu 1500 Euro für eine barrierefreie Wohnung mit drei Zimmern in Schwaz und Umgebung zu zahlen.“ Dass das Unterfangen Wohnungssuche innerhalb einer Woche für Familie mit schwerst behindertem Sohn scheitern musste, bräuchte eigentlich nicht extra erwähnt zu werden.

Meist ist Vladislav verzweifelt, auf diesem Foto entkommt ihm ein Lächeln, während ihm Mama ...
Meist ist Vladislav verzweifelt, auf diesem Foto entkommt ihm ein Lächeln, während ihm Mama Julia zu trinken gibt.(Bild: Birbaumer Christof)

Die TSD boten den Ukrainern eine Ersatzbleibe an – im fernen St. Johann in Tirol, im ebenso fernen Reith bei Seefeld bzw. im Stift Fiecht. Dabei handelt es sich jeweils um eine Art Massenunterkunft mit Gemeinschaftsküche, etc. „Das geht mit unserem Vladislav einfach nicht“, ist Mutter Julia den Tränen nahe.

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Im Grunde genommen handelt es sich um nichts anderes als eine Delogierung durch die Tiroler Soziale Dienste. Ich werde am Montag vor Ort in der Wohnung sein.

Roman Scamoni, Freund der Familie

Polizei soll notfalls bei Räumung „helfen“
Anders sieht es TSD-Geschäftsführer Florian Stolz. „Wir sind froh, ein Ersatzquartier im Stift Fiecht gefunden zu haben“, gibt sich der TSD-Chef gegenüber der „Krone“ salbungsvoll. Dorthin sollen die Fesenkos dann am Montag. Mitarbeiter der TSD waren am Freitag schon in Schwaz und haben Gegenstände der Familie mitgenommen. Am Montagmorgen soll der TSD-Bus kommen – und notfalls die Polizei, wie zu vernehmen war.

Estella und Bruder Vladislav blicken in eine äußerst ungewisse Zukunft.
Estella und Bruder Vladislav blicken in eine äußerst ungewisse Zukunft.(Bild: Birbaumer Christof)

TSD gab wichtige Info nicht an Familie weiter
Die Fesenkos müssen die Wohnung verlassen, weil der Mietvertrag ausläuft. „Wir haben die TSD bereits im Herbst 2024 darüber informiert“, sagt Martin Wurm von der Immobilienfirma, die die Wohnung betreut. Interesse seitens der TSD zur Verlängerung habe es nicht gegeben und die Info zum auslaufenden Vertrag ist nie bei den Ukrainern angekommen. Jetzt ist die Wohnung schon wieder neu vermietet.

„Krone“-Kommentar
Mit dem Rücken an der Wand

Und wieder einmal haben es die Tiroler Soziale Dienste (TSD) geschafft, den „Negativ-Award“ der Woche abzuholen. Es ist nicht die erste Familie, die sich mit ihren Sorgen und Problemen an die „Krone“ wandte. Das Medium, welches auch jenen zuhört, die sonst keine Ansprache haben. Als wir die Schweinereien bei der Notschlafstelle am Innsbrucker Schusterbergweg aufgedeckt haben, wurde fast zeitgleich ein ehemaliger Mitarbeiter der Einrichtung beinahe tot geprügelt. Ob ein Zusammenhang zwischen Tat und „Whistleblowing“ (Aufdecken der Missstände) besteht, ist bis heute nicht bekannt. Die Ermittlungen laufen laut Auskunft der Polizei noch immer ...

Seither melden sich immer wieder Familien, die von den TSD betreut werden, mit ihren Problemen bei uns. Fast alle machen dann aber einen Rückzieher und wollen doch nicht, dass ihre Geschichte veröffentlicht wird. Aus Angst davor, dass sie in der Folge mit negativen Konsequenzen seitens der TSD rechnen müssen. Anders verhält es sich bei der Familie in Schwaz, die nun ihr Quartier räumen muss – siehe dazu den berührenden Bericht unseres Redakteurs Peter Freiberger rechts. Die Familie steht quasi mit dem Rücken an der Wand und hat nichts mehr zu verlieren. Die Bilder sprechen für sich ...

Dass diese Familie mit ihrem beeinträchtigten Sohn nicht ins Stift Fiecht in ein Zimmer mit Gemeinschaftsküche übersiedeln kann, das versteht hoffentlich jeder. Man darf hoffen, dass die TSD ihrem Namen doch noch gerecht wird, und eine passende soziale Lösung findet.

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