Wiener Sozialhilfe:

„Großfamilien erhalten weiter gute Unterstützung“

Wien
24.06.2025 19:00

Wiens neue Finanzstadträtin Barbara Novak (SPÖ) über Schulden, Verteuerungen für die Bevölkerung, die Mindestsicherung und Luxus. Werden Parken und die Öffi-Jahreskarte bald empfindlich teurer?

„Krone“: Frau Novak, schon vor Ihrer offiziellen Ernennung ist durchgesickert, dass Sie Finanzstadträtin werden würden. Der Grund: Nach zwei erfolgreich geschlagenen Wahlen müssten Sie als Landesparteisekretärin belohnt werden. Werden so bei der SPÖ Jobs vergeben? Nicht primär nach Qualifikation, sondern nach einem parteiinternen Belohnungssystem?
Barbara Novak: Die Jobs werden ausschließlich nach Qualifikation und Kompetenzen vergeben. Nachdem ich schon viele Jahre im Gemeinderat und Finanzausschuss tätig war und auch dieses Ressort für die Koalition verhandelt habe, war der Wechsel in die Stadtregierung klar. Ich habe eine kaufmännische Ausbildung, bin auch ein sehr zahlengetriebener Mensch und werde mich daher mit viel Freude dem Wiener Budget widmen.

Als zahlengetriebener Mensch werden Sie die nächste Frage sicher beantworten können. Die stadteigene Prognose geht von einer Neuverschuldung heuer in der Höhe von 3,8 Milliarden Euro aus. Wie viele Schulden macht Wien wirklich?
Das lässt sich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Wir sind noch nicht im Quartalsabschluss des zweiten Quartals, das Ende Juni endet. Fakt ist aber auch, dass wir schon seit Anfang des Jahres mit Haushaltsdisziplin gegensteuern. Man muss aber auch sagen, dass es sich um eine gesamtstaatliche Finanzierungsfrage handelt. Wir sind auch mit dem Bund in intensiven Gesprächen.

Ganz konkret: Wo wird Wien sparen müssen?
Wien wird sich mehrheitlich ausgabenseitig Maßnahmen überlegen und im kleineren Anteil auch einkommensseitige. Wir haben uns darauf verständigt, dass wirklich jeder Stein in die Hand genommen wird. Wir bewerten: Welche Maßnahmen und welche Förderungen brauchen wir noch? In meinem Ressort habe ich schon begonnen, die Förderungen des heurigen Jahres um 10 bis 15 Prozent zu reduzieren.

Die 365-Euro-Jahreskarte der Wiener Linien wird wohl teurer? Um wie viel?
Dazu kann ich zum heutigen Zeitpunkt nichts sagen. Das ist eine der Diskussionen, die gerade ergebnisoffen zwischen den Ressorts abgehalten werden. Fakt ist, dass wir uns natürlich alle möglichen Valorisierungen anschauen. Auch nach den Kriterien der sozialen Treffsicherheit. Die Mobilitätskosten, dazu gehört auch das Parken, werden derzeit bewertet. Das Klimaticket ist mehrfach erhöht worden. Ich denke nicht, dass wir in einer ähnlichen Höhe valorisieren, aber es wird gerade diskutiert.

Auch Parken wird in Wien wohl teurer.
Auch Parken wird in Wien wohl teurer.(Bild: APA/ANGELIKA KREINER)

Das heißt, es ist durchaus möglich, dass Gutverdiener mehr für die Jahreskarte zahlen?
Ich sage, wir diskutieren es ergebnisoffen. Wenn ich jetzt sagen würde, ja, es ist möglich, dann glauben Sie ja, dass es so kommen wird. Wir prüfen alles. Wir sind sehr kreativ in der Frage, wie man …

… den Menschen das Geld wegnehmen kann?
Nein, welche Möglichkeiten es gibt, Systeme neu aufzustellen.

Aber allen ist klar, dass die Jahreskarte teurer wird. Wieso tut sich die Politik so schwer zu sagen: Ja, es wird teurer!?
Ich gehe davon aus, dass man, wenn man sagt, man erhöht, auch einen Betrag nennen muss. Und den können wir im Moment noch nicht nennen.

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Ich bin nicht dafür, dass wir ein System aufgrund von Randphänomenen aufbauen, und das sind solche Großfamilien.

Über die Mindestsicherung

Kommt eine große Verwaltungsreform und wie könnte die aussehen?
In meinem Bereich kann ich jedenfalls sagen, dass wir uns die Beteiligungsstruktur genau anschauen und evaluieren, wie weit wir Restrukturierungen bei den Gesellschaften vornehmen können.

Heißt im Detail?
Dass wir uns überlegen, ob wir bestimmte fachähnliche Gesellschaften in den Bereichen Kultur, Sport, Immobilien, Infrastruktur zusammenlegen können, um so effizienter tätig sein können.

Wird es in der Stadtverwaltung zu Entlassungen kommen?
Nein, in der Wiener Stadtverwaltung wird es, wenn, dann zu Verschiebungen kommen müssen, denn grundsätzlich haben wir als Stadt das Problem, dass wir zu wenig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für eine wachsende Stadt haben. Es gehen sehr viele in Pension.

Bei der Stadt Wien viel zu früh, wie wir berichtet haben.
Wir halten uns da an die gesetzlichen Vorschriften. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter ihre Beitragsjahre zusammen haben.

Wo spart die Stadt Wien bei der Mindestsicherung, die den Steuerzahler mittlerweile 1,2 Milliarden Euro pro Jahr kostet?
Die Mindestsicherung ist das letzte Sozialsystem. Wer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, muss auch so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Da haben wir stärkeren Handlungsbedarf. Der Vorschlag des Bürgermeisters ging auch in diese Richtung, diese Personengruppe über das AMS abwickeln zu lassen.

Barbara Novak im Gespräch mit „Krone“-Wien-Chef Michael Pommer
Barbara Novak im Gespräch mit „Krone“-Wien-Chef Michael Pommer(Bild: Urbantschitsch Mario)

9000 Euro für eine syrische Großfamilie an Mindestsicherung und Familienbeihilfe. Auf diesem Bildungsniveau gibt es in ganz Österreich keinen einzigen Job, bei dem der Vater durch Arbeit verdienen würde, was er durch Nichtstun erhält. Dieses System frisst uns die Haare vom Kopf. Sehen Sie das anders?
Es gab ein bundeseinheitliches System, das wurde abgeschafft. Was uns von anderen Bundesländern unterscheidet ist, dass in Wien Kinder einen höheren Anspruch auf Mindestsicherung haben. Dazu bekenne ich mich nach wie vor. Das sollten wir uns auch weiterhin leisten. Ich bin nicht dafür, dass wir ein System aufgrund von Randphänomenen aufbauen, und das sind solche Großfamilien. Das ist kein Maßstab.

Im „Standard“ habe ich ein Porträt einer Familie in der Wiener Mindestsicherung gelesen. Großfamilie aus Afghanistan, fünf Kinder. Was glauben Sie, wie viel Geld bleibt der Familie nach Abzug von Wohnen usw. nur für Kleidung, Lebensmittel und andere alltägliche Dinge pro Woche übrig?
Das weiß ich nicht.

650 Euro pro Woche! Das sind 2600 Euro pro Monat! Wie viele Familien mit arbeitenden Elternteilen kennen Sie, denen das am Ende übrigbleibt?
Sie wissen, dass aber alle Familien mit fünf Kindern Anspruch auf Mindestsicherung haben. Unabhängig davon, welchen Pass sie haben.

Dennoch: Mit Arbeit ist das für die meisten nie und nimmer zu verdienen.
Die meisten Familien mit Einkommen bekommen bis zur Mindestsicherung aufgestockt. Meistens für die Kinder. Das war immer schon so.

Arbeitsfähige in der Mindestsicherung sollen über das AMS vermittelt werden, fordert die Stadt.
Arbeitsfähige in der Mindestsicherung sollen über das AMS vermittelt werden, fordert die Stadt.(Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)

Nur 25 Prozent dieser Elternteile stocken auf Arbeit auf, die anderen auf Grundversorgung, Arbeitslosengeld, Alimente.
Dann sind wir aber wieder dort, wo wir hinwollen. Wir müssen die Menschen in Beschäftigung bringen. Wir kommen immer wieder am selben Punkt an. Wir arbeiten gemeinsam mit dem Bund an einer Lösung. Aber wenn ich den Eindruck habe, dass wir nicht bald zu einer Lösung kommen, dann wird Wien einen eigenen Reformvorschlag vorlegen.

Wie hoch sollte die Kindergrundsicherung aus Ihrer Sicht sein?
Sie sollte sich in dem Ausmaß bewegen, das wir bei der Mindestsicherung haben. Es ist die Frage, wie die Aufteilung zwischen Sachleistungen und Geldleistungen aussieht.

Das heißt, bei kinderreichen Familien wird sich am Ende nicht viel ändern?
Kinderreiche Familien werden weiterhin eine gute Unterstützung für ihre Kinder erhalten.

Wien ist nicht mehr die lebenswerteste Stadt der Welt. Nach dem vereitelten Terroranschlag auf das Taylor-Swift-Konzert haben wir Sicherheitspunkte verloren. Was denken Sie sich dabei?
Zuerst denke ich mir, dass für die Sicherheit in diesem Land das Innenministerium zuständig ist und fordere es auf, weiter massiv in die Sicherheit zu investieren. Ich freue mich, dass wir in der Frage der Messenger-Überwachung einen Schritt weitergekommen sind.

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Zuerst denke ich mir, dass für die Sicherheit in diesem Land das Innenministerium zuständig ist und fordere es auf, weiter massiv in die Sicherheit zu investieren.

Über Sicherheit in Wien

Es ist also das Innenministerium schuld, dass Wien nicht mehr die lebenswerteste Stadt der Welt ist?
Wenn man sich das Ranking anschaut, dann sieht man, dass wir in all jenen Punkten, für die die Stadt zuständig ist, unsere Punkte halten konnten. Also Gesundheitsversorgung, Infrastruktur, Mobilität, Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum und so weiter. Wir haben tatsächlich wegen der zwei vereitelten Terroranschläge Punkte verloren. Das schmerzt natürlich. Aber im Herzen bleiben wir die lebenswerteste Stadt der Welt.

Aktuell haben wir auch eine Debatte rund ums Trinkgeld. Wenn Sie ins Restaurant gehen und die Rechnung ergibt 43,50 Euro. Wie viel Trinkgeld geben Sie?
In der Regel gebe ich 10 bis 15 Prozent. Je nachdem, wie zufrieden ich mit dem Service war. Trinkgelder sind Teil des Einkommens. Ich denke aber, dass die abgabenrechtliche Regelung Sinn macht, so wie sie jetzt ist.

Barbara Novak beweist immer wieder Humor. Nachdem eine Giraffe SPÖ-Chef werden wollte, übernahm ...
Barbara Novak beweist immer wieder Humor. Nachdem eine Giraffe SPÖ-Chef werden wollte, übernahm sie eine Patenschaft im Tiergarten Schönbrunn.(Bild: Tomschi Peter)

Was war das Teuerste, das Sie in Ihrem Leben je gekauft haben?
Mein Gebrauchtwagen. Ich habe einen roten VW Beetle. Sie lachen alle, denn das Auto ist von mir getauft worden. Es heißt Betty und ist mir sehr ans Herz gewachsen.

Ihr Auto hat einen Namen?
Ja. Die Beetles haben rechts und links Ausbuchtungen. Betty Boop ist diese berühmte Comic-Figur. Und die hat diese Ausbuchtungen auch.

Wie heißt Ihr Sofa?
Sofi? Nein (lacht).

Aufgewachsen sind Sie im Karl-Marx-Hof, Ihre Mutter war Hausbesorgerin. War am Ende des Monats noch viel Geld übrig?
Nein, da war in der Regel fast gar nichts mehr übrig. Es war eine liebevolle, aber auch eine sehr entbehrungsreiche Kindheit. Ich konnte damals in der Schule nicht überall mitfahren, nicht bei allen Sprachreisen, und ich habe auch nicht immer die neuesten Schuhe gehabt, so wie andere Kinder.

Was hat Luxus für Sie damals bedeutet?
Wir haben fast jedes Wochenende, weil wir ja in Döbling gewohnt haben, die Nussberg-Runde gemacht. Und wenn es dann am Abschluss beim Heurigen ein Himbeer-Kracherl gegeben hat, war das großartig.

Und was bedeutet es für Sie heute?
Zeit haben. Für Freunde und Familie. Einmal im Jahr mit meiner Mutter vier Tage auf Urlaub zu fahren. Das ist für mich Luxus.

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