80 Jahre Befreiung

„In jeder zweiten Familie gab es Täter und Opfer“

Oberösterreich
01.05.2025 16:00

Dem Linzer Komponisten und Hörstadt-Gründer Peter Androsch ist Zeitgeschichte nicht egal. Seit vielen Jahren widmet er dem Erinnern immer wieder Kunstprojekte. Derzeit macht er ein Netz-Projekt mit Liedern, die einst im Konzentrationslager Gusen (Oberösterreich) komponiert wurden. Im „Krone“-Talk spricht er auch offen über seine Familie, in der es Opfer und Täter gleichermaßen gab.

Am 5. Mai 1945 Mai traf ein Spähtrupp der US-Armee in Gusen und Mauthausen ein, am darauffolgenden Tag befreien Einheiten der 3. US Army etwa 40.000 Gefangene dieser Lager endgültig. Heuer jährt sich das Gedenken an die Befreiung, sowie an das Kriegsende zum 80. Mal.

Peter Androsch findet die Erinnerung daran sehr wichtig: „Jeder Oberösterreicher sollte sich erinnern, auch weil in jeder zweiten Familie Opfer und Täter zusammengestoßen sind.“

Wie war das bei Androsch?
„Ein Großvater war begeisterter Nazi, einer meiner Urgroßväter kam dagegen im KZ um.“ Was wurde ihm angelastet? „Das konnte ich nie exakt herausfinden. Ich vermute, er hat im Wirtshaus unter Alkoholeinfluss früh gesagt, was der Nationalsozialismus bringen wird. Defätismus nannte man das. Da haben sie ihn gleich geholt.“

Androsch mit Noten und Liedtexten aus Gusen (Bild: Horst Einöder/Flashpictures)
Androsch mit Noten und Liedtexten aus Gusen

Opern und Filmmusik
Bereits 1993 widmete Androsch seinem Urgroßvater die Oper „Spiegelgrund“, die damals sogar im Parlament aufgeführt worden ist. Die künstlerische Beschäftigung mit der NS-Zeit ließ ihn nicht mehr los, u.a. schrieb er die Filmmusik für Andreas Grubers Film über die „Mühlviertler Hasenjagd“.

Die Stimmen aus dem KZ
Vor fünf Jahren dann ein Zufall: „Ich bekam Liednoten in die Hand, die von KZ-Häftlingen in Gusen geschrieben worden sind.“ Weil in Gusen vor allem die Intelligenz aus Polen vernichtet werden sollte, handelt es sich um polnische Lieder. „Die wurden aus unterschiedlichen Anlässen geschrieben: Entweder, dass die Menschen nicht durchdrehen oder sie haben ein bissl Vergünstigungen erreicht, indem sie für die SS Abendunterhaltung gemacht haben.“

Damit die Lieder nicht verloren gehen, hat er das Internet-Projekt „Gusen Convolute“ entwickelt. Man kann nicht nur die Noten dieser historischen Zeugnisse downloaden, sondern: „Ich will die Lieder dauerhaft im Internet präsentieren. Sie nur zu vertonen, ist aber nicht genug, man muss auch was zum Schauen haben.“

Die Würde und die Träume
Gemeinsam mit einem Team entwickelt Peter Androsch Videos, diese Klänge und Texte aus dem KZ neu interpretieren. „Mein Lieblingsvideo ist eines, das ein Lied in Poetry Slam und Gebärdensprache überträgt.“

Momentan gibt es fünf Videos im Internet, 20 sollen es am Ende des Jahres 2026 sein. Was will er damit ausdrücken? „Man soll sehen, dass die Menschen im KZ Gedanken und Träume gehabt haben. Sie sollen auch aus der Anonymität gehoben werden.“

Androschs „Gusen convolute“ werden heuer erstmals im Rahmen des Linzer Medienfestivals Ars Electronica öffentlich präsentiert, die Form steht noch nicht fest.

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