Formel statt Fügung?

Forschende wollen den Papst-Code geknackt haben

Wissenschaft
13.05.2025 22:42

Dass der US-amerikanische Kardinal Robert Francis Prevost als neuer Papst auf dem Petersplatz erscheinen wird, hatten selbst intensive Beobachter nicht auf dem Zettel. Ein italienisches Forschungsteam will die Wahl aber korrekt vorausgesagt haben – mit Mathematik, Netzwerkanalyse und einem Modell, das ursprünglich nicht als Wahrsage-Instrument gedacht war.

Als am Abend des 8. Mai weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle aufstieg und Prevost (nun Leo XIV.) als neuer Papst vor die Weltöffentlichkeit trat, war die Überraschung groß. Denn kaum jemand hatte ihn auf der Rechnung – weder Gläubige noch Wettbüros.

Die meisten hatten Kardinal Pietro Parolin als klaren Favoriten gesehen – die Wahrscheinlichkeit, dass die Wahl auf ihn fällt, wurde mit rund 30 Prozent beziffert. Prevost dagegen tauchte bei vielen Buchmachern nicht einmal namentlich auf, sondern lediglich unter „Sonstige“ – mit einer Chance von kaum mehr als zwei Prozent.

Doch während die Öffentlichkeit rätselte, hatten Forscher der Mailänder Wirtschaftsuniversität Luigi Bocconi bereits einen klaren Favoriten identifiziert – und lagen damit exakt richtig.

Ein Modell für ein uraltes Ritual
Giuseppe Soda, Alessandro Iorio und Leonardo Rizzo untersuchten die Papstwahl mit Methoden der sozialen Netzwerkanalyse – einem wissenschaftlichen Werkzeug, das normalerweise in der Soziologie, Organisationsforschung oder bei Unternehmensentscheidungen zum Einsatz kommt. Ihr Ziel sei es nicht gewesen, den neuen Papst vorherzusagen, sondern zu verstehen, welche sozialen Strukturen innerhalb des Kardinalskollegiums dazu führen, dass ein bestimmter Kandidat als Konsenskandidat hervorgeht.

Denn auch hinter den verschlossenen Türen des Konklaves wirken Mechanismen, die an die Wahl eines Präsidenten oder die Ernennung eines CEOs erinnern, so die Forscher – nur dass sie in ein System jahrhundertealter Rituale eingebettet sind.

Der Vatikan als soziales Netzwerk
Die Forscher betrachteten das Kardinalskollegium als komplexes Netzwerk, bestehend aus offiziellen Kooperationen, geistlichen Weiheverbindungen und informellen Beziehungen, etwa ideologischen Gemeinsamkeiten oder Mentorenverhältnissen.

Die Forscher errechneten ihre Favoriten – die sonst wohl kaum jemand auf seiner Liste hatte. (Bild: Wirtschaftsuniversität Luigi Bocconi, Krone KREATIV)
Die Forscher errechneten ihre Favoriten – die sonst wohl kaum jemand auf seiner Liste hatte.

Anhand dieser Daten definierten sie drei zentrale Faktoren für die Prominenz eines Kardinals im Netzwerk:

  • Status – Wer ist nicht nur gut vernetzt, sondern mit den einflussreichsten Persönlichkeiten verbunden?
  • Informationskontrolle – Wer fungiert als Brücke zwischen Gruppen und steuert so den Informationsfluss?
  • Koalitionsfähigkeit – Wer ist in vertrauensvollen Gruppen verankert und kann Mehrheiten organisieren?

Ein zusätzliches Kriterium: das Alter. Hier orientierte sich das Team an historischen Wahldaten – Päpste sollten idealerweise weder zu jung noch zu alt sein.

Unerwartete Mitfavoriten, kein Italiener dabei
Das Ergebnis: Robert Francis Prevost lag in der Gesamtbetrachtung auf Platz eins, vor Kardinälen wie Lazzaro You Heung-sik (Südkorea), Arthur Roche (Großbritannien) und Jean-Marc Aveline (Frankreich). Auch wenn andere Kardinäle in einzelnen Kategorien besser abschnitten – Prevost vereinte alle Kriterien in einem idealen Mittelwert.

Kein Orakel, aber ein nützliches Werkzeug
„Wir behaupten nicht, den Papst vorhergesagt zu haben“, sagt Studienleiter Giuseppe Soda. Vielmehr sei das Modell ein Instrument zur Analyse von Machtstrukturen und Entscheidungsprozessen. Der berühmte Satz des Statistikers George Box – „Alle Modelle sind falsch, aber manche sind nützlich“ – sei hier Programm.

Dennoch: Die Übereinstimmung zwischen Modell und Realität erstaunt. Denn anders als Benedikt XVI., der tief im vatikanischen Machtapparat verankert war, oder Franziskus, der als Außenseiter „vom Ende der Welt“ kam, scheint Prevost genau der Typus von Kandidat zu sein, den das Modell als konsensfähig identifizierte.

Zwischen Algorithmus und Eingebung
Dass sich ein komplexer, auch spirituell aufgeladener Prozess wie die Papstwahl mit sozialwissenschaftlichen Mitteln zumindest teilweise erklären lässt, zeigt: Selbst in einem Ritual, das mit Geheimhaltung, göttlicher Eingebung und jahrhundertealter Symbolik aufgeladen ist, wirken ganz irdische Mechanismen. Beziehungen, Einfluss, Vertrauen und strategische Allianzen spielen dabei eine Schlüsselrolle.

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